Mein Leben als Kampfsportler – Teil 3

Der Gong ertönte und keiner von uns rührte sich. Die Entscheidung der Kampfrichter stand noch aus. Mit einer Handbewegung in Richtung der jeweiligen Ecke des Kämpfers zeigten die Richter an, wer den Punkt bekommt. Die Hände der drei Kampfrichter zeigten alle in meine Richtung – ich fing an zu rennen.

Verhauen, überglücklich und noch nicht am Ende

Dies ist der dritte Teil der Reihe „Mein Leben als Kickboxer“. Den ersten Teil findet ihr hier und den zweiten Teil hier.

Ich war überglücklich und sprang in die Arme meines Trainers. Das war‘s. Ich war Europameister.

Meine harte Arbeit hatte sich bezahlt gemacht. Mit gerade mal 19 Jahren hatte ich es geschafft. Ich war überglücklich. Mein Kontrahent war ein guter Verlierer und gratulierte mir herzlich. Trotz dieses vermeintlich brutalen Sports gehen die Kämpfer in der Regel sehr herzlich miteinander um. Wenn jemand besser war, wurde er nicht dafür gehasst, sondern bewundert. Das war für die Meisten der Ansporn, beim nächsten Mal besser zu sein.

Bei der Siegerehrung sorgte ich für einen kleinen Fauxpas. Normalerweise werden erst der Dritt- und Zweitplatzierte auf das Treppchen gebeten. Ich war noch so im Siegesrausch, dass ich einfach auf das Treppchen zulief und mit einem Satz auf die letzte Stufe sprang. Meine Arme nach oben gerissen und voller Stolz. Ich blickte in verwunderte Gesichter der Offiziellen und hörte auch ein wenig Gelächter aus den Zuschauerreihen. Übel nahm es mir aber keiner.

Der Jubel, den ich losließ, als dann der Moderator meinen Namen vorlas, werde ich nicht vergessen. Meine Freunde, Kollegen und meine Trainer feierten mich eifrig. Ich war überglücklich. Zwei Tage später war ich wieder auf der Matte in meinem Dojo. Wieder beim Training, in Vorbereitung auf den nächsten Kampf, beim nächsten Turnier.

 

Was ist wichtiger? Sport oder Studium?

Sven Wolff Kampfsport

Meine Zeit als erfolgreicher Turnierkämpfer endete aber bald. Mein Studium begann und die Zeit, die ich auf der Matte verbrachte, wurde immer weniger. Ich hatte noch tolle Angebote von Kampfsportschulen erhalten. Dort sollte ich dann andere Kickboxer trainieren, was ich zu dieser Zeit bereits in meinem Club machte. Nur leider konnte ich keines dieser Angebote annehmen: Ich war bereits auf dem Weg nach Köln. Der Stadt, in der ich mein Studium abschloss.

Und so kam es dann auch zu einer Entscheidung, die ich bis heute sehr bereue. Ich habe den Kampfsport an den Nagel gehängt, um mich voll auf mein Studium zu konzentrieren. Klar, war es die richtige Entscheidung, aber ich habe dabei einen Fehler gemacht: Ich habe von einem Tag auf den anderen aufgehört zu trainieren. Es dauerte nicht lang und ich nahm zu. Das erste Mal in meinem Leben machte ich für über ein halbes Jahr gar keinen Sport mehr. Ich wurde fett, nahm innerhalb eines halben Jahres fast 20 Kilo zu.

Ich passte in keine meiner Jeans mehr und alle meine anderen Klamotten wurden mir zu klein. Irgendwann konnte ich mein eigenes Elend nicht mehr mit ansehen und setzte mich auf Diät. An Sport war aufgrund des Lernaufwands im Studium nicht zu denken und so dauerte es noch ein weiteres Jahr, bis ich wieder eine halbwegs normale Figur hatte.

Ich fasste endlich den Entschluss, wieder mit dem Kampfsport anzufangen und meldete mich in einem renommierten Club in Köln an. Dort war ich auf einmal ein Niemand. Meine Erfolge lagen schon länger zurück, meine Dehnung war quasi nicht mehr vorhanden und meine Kondition miserabel. Es dauerte gefühlt eine Ewigkeit, bis ich wieder einigermaßen meine Bewegungen durchführen konnte.

Das zog aber meistens viele Schmerzen nach sich. Ich war auf einmal sehr verletzungsanfällig. Aus einem einfachen Grund: Ich versuchte die Leistung abzurufen, die ich hatte, als ich noch aktiv war. Das funktionierte aber nicht, die Zeit, die ich gebraucht hätte, um mich wieder aufzubauen, habe ich mir nie genommen. Und so kam es dann, dass ich mich regelmäßig verletzte. Eine kleine Zerrung hier, dann eine Überdehnung da und eine Prellung dort. Das ganze mitten im Journalismusstudium.

 

Der Geist ist stark, der Körper ist schwach

Sven Wolff Sporting Emden

Ich kürzte meine Trainingszeiten ein. Das hatte zwar das gewünschte Ergebnis, dass ich mich weniger verletzte, jedoch schaffte ich es so auch nicht, mein altes Level zu erreichen. Immer wieder machte ich wochenlang Pause und musste so immer wieder von vorne anfangen. Dehnung, Kondition und Agilität bauen sich sehr schnell ab, wenn man diese Dinge nicht regelmäßig trainiert.

Das zog sich bis ans Ende des Studiums durch. Immer wieder versuchte ich neue Anläufe, aber nie mit langfristigem Erfolg. Mittlerweile bin ich wieder regelmäßiger im Dojo. Mindestens einmal die Woche versuche ich auf einen Sandsack einzutreten. Nicht mehr mit dem Ziel, wieder aktiv im Kampfsport zu werden, eher mit dem Gedanken, nicht wieder so einzurosten, wie es im Studium der Fall war. Ich habe mich damit abgefunden, nicht mehr die Leistungen zu bringen wie es mir mit Anfang 20 möglich war.

Manchmal denke ich noch daran, ob ich mich nicht doch auf den Hosenboden setze und wieder eifrig trainiere. Aber das muss ich gar nicht mehr. Ich bin glücklich, so wie es jetzt ist. Stolz auf meine vielen Erfolge und nun erfreue ich mich daran, dass ich noch immer, nach zwanzig Jahren, Spaß am Kampfsport habe. Nur für mich.

Das Gefühl was ich habe, wenn ich mich eine Stunde lang in der Trainingshalle ausgepowert habe, ist fast unbeschreiblich. Glücklich, aus der Puste und stolz darauf, dass einige Techniken noch so gut klappen. Mir reichen die kleinen Erfolge mittlerweile. Aber vielleicht ändert sich das irgendwann auch wieder und die Lust, wieder aktiv und erfolgreich im Kickboxen zu sein, kommt zurück. Eins habe ich mir jedoch geschworen: Nie wieder mache ich eine so lange Sportpause. Der Sport gehört zu mir, vor allem der Kampfsport. Eine Liebe, die nie zu Ende geht.

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