Jeden Tag eine gute Tat

Ich glaube an das Karma. Tue Gutes, dann wird dir gutes Wiederfahren. Klingt einfach, ist es aber gar nicht.

Mir wurde als Kind beigebracht, dass ich jeden Menschen gleich behandeln sollte. Egal wie er aussieht, woher er kommt, wieviel Geld er hat oder welche Position in der Gesellschaft inne hält. Ein Kredo, das ich bis heute energisch einhalte. Das Problem das sich daraus schnell ergibt ist folgendes: Nicht jeder möchte gleich behandelt werden.

Es ist ein Reflex und kommt automatisch. Ein Beispiel: Eine ältere Frau steht am Fuße einer großen Treppe, in der Hand ein großer Koffer. Ich trete auf die Frau zu und sage folgenden Satz: „Darf ich Ihnen behilflich sein?“. Die Wortwahl ist wichtig und über die Jahre perfektioniert, dazu komme ich später nochmal zurück. Falls die Frau meine Hilfe annimmt, freue ich mich und helfe ihr den Koffer sicher nach oben zu bringen. Nicht eine Sekunde hoffe ich auf einen Dank oder gar eine Entlohnung. Ich lächle die Dame an, wünsche ihr einen angenehmen Tag und verabschiede mich.

Manchmal glaube ich, dass ich einer der wenigen bin die so denken. Mit offenen Augen gehe ich durch das Leben und versuche meine Hilfe anzubieten wenn sie gebraucht wird. Anderes Beispiel: Ein Mann im Rollstuhl steht vor dem Eingang einer Straßenbahn. Mit Mühe und Not versucht er in die Bahn zu kommen, über ein Dutzend Menschen hat sich bereits an ihm vorbeigedrängelt. Keiner bot seine Hilfe an, aber alle starren ihn an. Manche flüchtig, andere durchdringend. Ich biete ebenfalls meine Hilfe an: „Darf ich Ihnen helfen?“. Der Mann bejaht und ich stell mich hinter den Rollstuhl und schiebe in vorsichtig ins Innere der Straßenbahn. Ich wünsche einen schönen Tag, verabschiede mich.

Ich sitze nicht wenige Minuten später da und feier mich innerlich, ich bin eher geschockt und traurig. Der einzige der dem Mann geholfen hat war ich. Warum? Ich sehe mich keineswegs als einsamer Samariter oder hab ein Helfersyndrom. Ich hab nur die mahnenden Worte meiner Erziehung im Ohr: „Tue Gutes.“

 

Darf ich helfen?

Die Worte die ich immer verwende, wenn ich jemanden meine Hilfe anbiete sind folgende: Darf ich Ihnen helfen. Das Wort „dürfen“ spielt dabei eine zentrale Rolle. Mein Gegenüber befindet sich in meinen Augen in einer Situation in der Hilfe hilfreich wäre, aber vielleicht sieht das mein Gegenüber nicht so. Wenn ich jemanden frage, ob ich ihm helfen „kann“, dann urteile ich über mein Gegenüber. Der Mensch ist in einer hilflosen Situation suggeriere ich damit. Kann ich das Einschätzen? Kenne ich die Geschichte des Menschen? Nein. Ich biete meine Hilfe an und möchte nicht direkt jemand kränken. Die Frage, ob ich helfen darf bietet eine völlig offenere Situation an.

Obwohl ich weniger glaube, dass Semantik hier das eigentliche Problem ist. Das Problem ist meiner Meinung nach, dass mittlerweile jeder dermaßen mit sich selbst beschäftigt ist, dass andere Menschen kaum eine Rolle spielen. Jedenfalls, wenn diese im echten Leben begegnen. Unser Beileid oder unsere Hilfe bieten wir gerne an, im Internet. Ein Gefällt-Mir rettet das Leben des kleinen Mädchens in Ruanda? Klick! Ich kann meine Bestürzung über einen tragischen Vorfall mit einem Profilbild zeigen? Klick! Ein kleiner Schritt, der aber große Wirkung bei Menschen zeigt. Augenscheinlich. Das eigene Seelenheil rettend. Katholiken kennen das noch aus dem Ablasshandel.

Wie bereits anfangs erwähnt, laufe ich bereits mein ganzes Leben so durch die Welt. Lächelnd, Helfend und nicht immer auf den eigenen Vorteil bedacht. Ob mich das zu einem besseren Menschen macht? Ich glaube nicht. Es ist eher so, dass ich so nie Zweifel bekommen habe, ob ich in meinem Leben der Gesellschaft was zurückgegeben habe. Klingt abgedroschen, aber ich träume ein bisschen von einer Welt in der die Menschen liebevoller miteinander umgehen. Den vermeintlichen Schwächeren helfend. Romantische Gedanken gebe ich zu, aber sind diese so unrealistisch?

1 Comment

  • 15. Mai 2016 at 2:28

    Super Artikel, danke dafür! Ich halte mich selbst an 3 Grundsätze, die ich mir immer wieder vor Augen halte:
    1. helfen wenn ich sehe, dass es nötig sein könnte (egal ob Mensch oder Tier. Daraus haben sich schon einige (im nachhinein) lustige, einige traurige und sogar gefährliche Situationen ergeben, von denen ich aber viel gelernt habe.
    2. nichts im Leben bereuen, egal wie schlecht eine Entscheidung war. Reue hält mich nur auf, lieber lerne ich aus Fehlern.
    3. Kharma ist mein Freund. Aus Erfahrung weiß ich, dass jeder bekommt was er verdient, ich brauche nix zu tun. 😀

    Ich bin der gleichen Meinung wie du, oft sehe ich Leute, die einfach an Hilfsbedürftigen vorbei gehen. Manchmal denke ich mir, das sind oft die, die am lautesten schreien wenn im Internet irgendwas schlimmes gezeigt wird. Spenden tun viele wie die Doofen, aber jemandem auf der Straße helfen ist Mangelware geworden.
    Deinen Ansatz, „darf“ statt „kann“ zu sagen finde ich sehr interessant, da habe ich noch nie dran gedacht, denn ich sage eher „kann ich ihnen helfen“. Ich werde versuchen, mich da „umzutrainieren“ ^^
    Lieben Gruß,
    Sabrina

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