Schlafen, Essen, Training und Schlafen

Es ist neun Uhr morgens. Rosa Lenz quält sich aus dem Bett und bereitet sich auf ihren Tag vor. Sie ist 23 Jahre alt, lebt und arbeitet in Köln.

Dort hat sie die Aufgabe Mitgliederbeiträge zu überprüfen und hilft bei anstehenden administrativen Aufgaben in einem Sportstudio. „Auch das gehört dazu“, erklärt die junge Kickboxin.

Seit sechs Jahren wohnt Rosa Lenz in Köln. Sie kam aus Aachen, um in Köln eine Ausbildung als Mediengestalterin zu absolvieren. Die Ausbildung hat sie erfolgreich abgeschlossen, doch in ihrem Beruf hat sie nur sechs Monate gearbeitet.

Sie war erst ein Jahr in Köln, da wurde sie auf ihre heutige Kampfsportschule aufmerksam. Aus zwei Stunden Training pro Woche wurde schnell mehr. Erst vier, dann sechs Stunden. Bald darauf war sie jeden Tag da. Sie hatte Talent. Ihr erstes Turnier gewann sie auf Anhieb.

Lenz kämpft Semi-Kontakt. Eine Wettkampfform in der es auf Schnelligkeit und Technik ankommt. Nach jedem klaren Treffer mit der Faust oder dem Fuß, unterbricht der Hauptringrichter den Kampf und entscheidet mit Hilfe zweier weiterer Ringrichter ob es ein gültiger Treffer war. Zwei Minuten dauert so ein Kampf. Gekämpft wird meistens im KO-System.

Vom Büro auf die Matte

Nach zwei Stunden ist ihre Arbeit im Büro getan. Rosa Lenz fährt wieder nach Hause. In drei Stunden muss sie schon wieder zurück sein.

Sie trainiert heute zwei Jugendgruppen. „Ich muss mittags nach Hause und mich nochmal eine Stunde hinlegen, sonst überlebe ich den Tag nicht“, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln. 25 Stunden verbringt die brünette Frau in der Woche auf der Matte.

Mehr als die Hälfte davon sind Stunden in denen sie Unterricht gibt, die restlichen trainiert sie selbst. Sie fährt dafür auch in andere Kampfsportschulen und schaut sich dort das Training an.

Mindestens einmal im Jahr fliegt sie nach Miami. Dort lebt ihre Schwester seit mehreren Jahren. Sie nutzt die Zeit in den USA um zu trainieren. „Miami ist eine Hochburg des Kampfsports. Dort gibt es unzählige Kampfsportschulen, von Karate bis Kickboxen ist alles dabei.“

Sie saugt jeden neuen Stil und jede neue Trainingseinheit in sich auf. Manchmal steht sie mit Zettel und Stift am Rand und notiert sich den Ablauf und die Durchführung der Trainingseinheiten. „Damit ich in Deutschland nichts vergesse und es auch dort anwenden kann“, erklärt sie stolz.

Der Sport Kickboxen ist ein sehr junger Kampfsport. Als Wettkampfdisziplin existiert Kickboxen erst seit 1974. Damals hieß es noch „All-Style-Karate“ oder „Sport-Karate“. Die Gründer des Kampfsportverbands WAKO (World All-Style Karate Organisation), Mike Anderson und Georg F. Brückner, machten aus den traditionellen Kampfsportarten Karate, Kung Fu und Tae-Kwon-Do eine einheitliche Wettkampfdisziplin. Einheitliche Regeln und und Kampfsysteme wurden eingeführt und bald darauf fanden die ersten Wettkämpfe statt.

 

Zuckerbrot und Peitsche

Rosa Lenz steht auf der Matte und begrüßt ihre jugendlichen Schützlinge. Mit spielerischen Übungen weckt sie Interesse am Kampfsport und sorgt gleichzeitig für eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Könnens der jungen Kampfsportinteressierten. „Man kann Kinder nicht so trainieren wie Erwachsene.

Es müssen auf ganz andere Dinge geachtet werden, aber es macht großen Spaß“, bei den Worten strahlt sie über das ganze Gesicht. Manche der Jugendlichen schwatzen in einer hinteren Ecke. Lenz wird laut. Sofort stehen alle kerzengerade da und konzentrieren sich weiter auf den Unterricht. Trotzdem wird viel gelacht. Vor allem die junge Trainerin hat stets ein Lächeln auf dem Gesicht.

Die Stunde ist vorbei und die Kinder verschwinden in Umkleidekabinen. Rosa bleibt auf der Matte, wischt sich mit einem Handtuch den Schweiß ab und nimmt einen Schluck aus ihrer Trinkflasche.

Fast zeitgleich mit dem Verschwinden der Kinder kommen Erwachsene auf die Matte. Es sind sowohl große, kleine, dünne und etwas fülligere Menschen darunter. Auffallend ist, dass unter den Teilnehmern mehr Frauen als Männer sind. „Dies ist einer der wenigen Kampfsportschulen, die mehr Frauen als Männner als Mitglieder haben“, erklärt Lenz.

Dies liegt u.a. daran, dass hier sehr viele Fitnesskurse angeboten werden. Darunter auch Fitness orientiertes Kickboxen.

Erschöpft aber glücklich

Rosa Lenz wird von einem Kickbox-Magazin gesponsert und fährt jedes Jahr auf mehrere nationale, sowie internationale Turniere. Ihr letztes großes Turnier war vergangenen Herbst, dort gewann sie die US-Open in Orlando, Florida.

Die US-Open sind eines der größten Kampfsportturniere der Welt und ein Gewinn des Turniers ist ein Ritterschlag für jeden Kampfsportler. Tausende Teilnehmer aus aller Welt fahren jedes Jahr in die USA, um sich mit den besten der Welt zu messen. Das Event wird sogar auf dem US-TV-Sender ESPN übertragen.

Die letzte Stunde Unterricht von Rosa Lenz geht zu Ende. Nach fünf Stunden Training hat sie noch eine Stunde Sparring gemacht. Kopf und Körper können nicht mehr. Die Stunde wird mit einer Verbeugung beendet. Das Handtuch von Rosa hängt ihr um den Hals.

Ihre Mimik ist entspannt. Sie verabschiedet sich von allen Schülern und verschwindet in der Umkleidekabine. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Chef des Kampfsportklubs, wünscht sie allen einen schönen Abend, atmet tief durch und macht sich auf den Weg.

„Nun geht es nach Hause. Ich esse noch eine Kleinigkeit, schaue ein paar amerikanische Serien an und gehe dann Schlafen“, erzählt sie, „mein Tag besteht eigentlich nur aus Schlafen, Essen, Training und Schlafen – aber es macht mich glücklich“.

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