Helden im Mikrokosmos

E-Sport? Gaming-Bundesliga? – In Köln fanden die Intel Extrem Masters statt. Ein eigenartiges Volk, diese Gamer.  Vor dem Eingang in der Siegburgerstraße in Köln hat sich eine Schlange gebildet. Direkt neben den Bürogebäuden von Turtle Entertainment, der Firma, die hinter der Electronic Sports League (ESL) steht.

Ein schwarzer Van hält an. Die Scheiben sind verdunkelt. Es steigen fünf junge Männer aus. In der Schlange wird bereits getuschelt. „Das ist Fanatic“, sagt ein junger Mann mit blonden langen Haaren.

Er kann sich das Grinsen kaum verkneifen. Von Ehrfurcht ergriffen bilden die Menschen in der Schlange eine Gasse. Keiner sagt ein Wort. Als die fünf E-Sportler vorbei gegangen sind, fangen alle an zu grinsen.

Ein junger Mann mit Brille und Wuschelfrisur fängt sogar an zu Hüpfen. „Boah Geil!“, heißt es von einem anderen. Männer Anfang zwanzig benehmen sich wie 13-Jährige auf einem Justin Bieber Konzert.

Gamer, männlich, sucht

An der Kasse herrscht dichtes Gedränge. Wer Premium-Mitglied bei der ESL ist, kann sich an einem Computer einloggen und bekommt eine virtuelle Auszeichnung.

Man zeigt, wo man war und profiliert sich vor den Anderen. Links vom Eingang geht es zur E-Sport-Bar. Rechts geht es zur bis auf den letzten Platz gefüllten Arena.

Zuschauer müssen auf dem Boden sitzen, oder stehend an den Wänden lehnen. Es kommt einem vor wie in einem überbuchten Flugzeug. Seit Wochen war das Event ausverkauft.

Die meisten Fans sind männlich, jung und tragen auffällige T-Shirts. In der ersten Reihe zieht ein Grüppchen von vier jungen, hübschen Mädchen die Blicke der Gamer auf sich.

Sie trinken genüsslich ihr Kölsch und genießen die Aufmerksamkeit. Andere Frauen? – Eher Mangelware. Auch wenn immer mehr Frauen die Welt der Computerspiele für sich entdecken, hier sind sie noch deutlich in der Unterzahl.

Dennoch ergibt sich ein bunt gemischter Haufen von E-Sport-Interessierten. Das Event beginnt pünktlich. Überall sind Kameras und Bildschirme. Ganz vorne ist eine Bühne aufgebaut. Dort sitzen an zwei Tischen die Spieler vor ihren Computern.

Der Kameramann fordert die Zuschauer zum Jubeln auf. Die junge, hübsche Moderatorin beginnt in perfektem Englisch mit der Anmoderation. Sex Sells – gerade beim hauptsächlich männlichen Publikum der E-Sport-Szene.

Das Klischee des Gamers vom blassen „Kellerkind“ ist zwar in den letzten Jahren aufgeweicht, bleibt aber in Teilen noch immer bestehen.

Das Event wird auf Streams übertragen. Über 100.000 Zuschauer sind im Internet keine Seltenheit. Live vor Ort sind weit weniger Fans. Etwa 100 sind in der Halle.

Es werden Interviews geführt, eine Art Grund-Gemurmel des Publikums liegt in der Luft. Ein Mann kommt mit Paletten von Energydrinks herrein. „Wer will kann sich hier gerne bedienen“, ruft er in die Runde.

Das Murmeln wird unterbrochen vom Öffnen der Dosen während auf den Bildschirmen, fast unbemerkt, das erste Match des Tages startet.

Energydrinks, Kölsch, Computerspiele

Euphorie im Publikum? – Fehlanzeige! Vereinzelt wird sich unterhalten und am Energydrink genippt. Die Getränke und das Essen sind kostenlos. Wie die Mädchengruppe trinken auch viele andere Kölsch.

Wem das Gedränge in der Arena zu ungemütlich ist, der kann sich an die Bar nebenan oder in eine Lounge verkriechen. Ungefähr dreißig Leute schauen auch hier gespannt auf die Bildschirme. Es wird League of Legends (LoL) gespielt heute. Ein Onlinespiel, in dem sich jeweils ein Team aus fünf Leuten gegenübersteht. Ziel ist es die gegnerische Basis zu zerstören. Die beiden Teams „Meet your Makers“ (MyM) und „Fanatic“ treten als Erste gegeneinander an.

Vielleicht liegt es an den Energydrinks oder am Kölsch, jedenfalls werden die Zuschauer gegen Ende des ersten Matches auf einmal lauter. Jubel, Klatschen, Gesänge – Die Gaming-Verrückten toben. Als das erste Spiel zu Ende ist, wird der Kapitän des siegreichen MyM-Teams zum Interview gebeten. Es scheint, als sei es  professionelle Routine, die Fragen der Reporterin zu beantwortet.

Wie ein Fußball-Star nach einem wichtigen Spiel. Sogar bekannte Phrasen werden gedroschen: „Wir haben noch nicht alles gegeben und waren hinter unseren Möglichkeiten“, sagt er in holprigem Englisch mit starken polnischen Akzent.

Danach läuft er mit seinen Mannschaftskollegen in die „Gamers Lounge“. Vom Team geht eine gewisse Arroganz aus. Freude oder Respekt vor ihren Fans ist nur wenig zu bemerken.

Sie werden nicht nach Autogrammen gefragt, unterhalten sich auch nicht mit den Gästen. Trotzdem genießen sie ihre Aufmerksamkeit sichtlich. Die Blicke der Zuschauer folgen ihren Idolen, wieder wird in Ehrfurcht eine Gasse gebildet.

Sie sind Helden, in ihrem eigenen Mikrokosmos.
Veröffentlicht am 17.12.2012 bei Zeitjung.de