Eine neue Nachricht, ein neuer Tag

Wie wäre die Welt ohne Facebook? Eine bessere? Oder einfach nur gähnend langweilig? Wie würden wir freie Zeit ohne Facebook überbrücken?

 

Kaum aufgewacht, schon schaue ich auf Facebook nach, was während des Schlafes alles gepostet wurde. Angefangen bei den Statusmeldungen, die ich als letztes gelesen habe, aufgehört bei dem ersten „Guten Morgen“ des Freundes, der jeden Morgen seine Facebook-Freunde begrüßt.

Es wird geduscht, rasiert, gefrühstückt und dann wird bei der morgendlichen Routine schon wieder nachgeschaut. Es ist ja mittlerweile eine regelrechte Tortur, auf die Toilette zu gehen, ohne sein Smartphone mitzunehmen. Was soll ich denn bloß tun in der Zeit?

Nach allen morgendlichen Ritualen verlasse ich die Wohnung und setze mich in die Bahn. Auch dort wird die Zeit überbrückt. Viel passiert ist nicht in der Zeit, aber ich hätte ja etwas verpassen können. Ohne Facebook würde ich auch vergessen, dass es wieder „Bergfest“ ist.

Fast schon wie ein Ritual posten immer wieder einige Leute voller Euphorie: „Endliche Bergfest“, oder so ähnlich. Ohne diese Menschen würde ich meine Wochenplanung vollkommen aus den Augen verlieren…

Online: Ob ich will oder nicht

Mittlerweile glaube ich auch, ich würde verhungern ohne Facebook. Schon während der Mittagszeit inspirieren Bilder von den Facebook-Freunden, was auf den Tellern in Deutschland und rund um die Welt so alles landet.

Auch wenn es nur eine typische Currywurst von einem typischen Imbiss ist: In unserer Neidgesellschaft ist selbst das einen Post wert. Um ein „Gefällt mir“ wird gebeten.

Der Tag plätschert weiter vor sich hin, Posts werden geliked und kommentiert. Während ich also lese, wer alles heute Abend ins Kino geht, TV schaut, oder sich so richtig langweilt, bin ich fast gewillt, auch meinen digitalen Senf dazuzugeben.

Aber ich schaffe es gerade noch, mich zurückzuhalten. Der Voyeur in mir ist größer als mein Mitteilungsbedürfnis. Mein Arbeitstag ist vorbei. Ich fahre wieder mit der Bahn nach Hause. Neben mir ein Pärchen. Sie fotografieren sich selbst: „Das poste ich gleich.“

Ein neuzeitlicher Liebesbeweis. Das Bild mit dem Freund oder der Freundin. Ganz offiziell, sodass es alle sehen können. Neben dem Mittagessen, aber noch vor der „Gute-Nacht-Statusmeldung“.

Wir alle können uns gegenseitig beobachten, wie wir leben. Mittlerweile bin ich zu Hause und philosophiere darüber, was ich heute zum Abendessen mache. Ich schweife ab und lande wieder bei Facebook. Dort hat ein Freund sein Lieferdienstessen gepostet.

Das bringt mich auf die Idee, dass ich ja auch was bestellen könnte. Der Lieferdienst hat ein Like von mir. Es gibt heute eine Rabattaktion. Schon wieder profitiere ich von Facebook. Mein Essen kommt nach einiger Zeit zu mir nach Hause.

Ich denke nicht eine Sekunde darüber nach, ob ich es auf Facebook poste. Wie kommen die Menschen nur auf so eine Idee?

Die gewollte Informationsflut

Ich schaue nach, was so im Fernsehen läuft. Parallel werden bei Facebook in verschiedenen Statusmeldungen die Themen der Boulevardsendungen diskutiert. Oder wie schlecht der Kandidat, der gerade bei einer Castingshow gesungen hat, wirklich ist.

Ich entscheide mich doch lieber für eine Dokumentation: „Die digitale Revolution: Facebook, Twitter und Co“. Nun wird auch noch mein Abendessen von Facebook indirekt bestimmt. Wenn so die Zukunft des Infotainment aussieht, werde ich definitiv Eremit.

Der Tag neigt sich dem Ende zu. Ich mache eine große Runde durchs Bad und bin allzu bald fertig zum Schlafengehen. Ein letzter Blick auf Facebook.

Wie es scheint, geh nicht nur ich ins Bett. Auch viele andere sind auf dem Weg ins Traumland. Viele brauchen anscheinend noch den digitalen Gute-Nacht-Gruß. „Gute Nacht Facebook“ heißt es bei vielen Statusmeldungen.

Ich winke ab und gehe schlafen. Im Bett liegend denk ich noch nach: Zum Glück bin ich nicht Facebook-süchtig.

 

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